Die Post ist da – seit 175 Jahren
Sie gilt als weltweit beste ihrer Art: Die Schweizerische Post feiert Jubiläum. Eine Zeitreise vom Gründungsjahr 1849 bis in moderne Zeiten.
Text: Annegret Honegger
Der neue Staat braucht eine Post: Mit der Gründung des Schweizerischen Bundesstaates löst 1849 eine eidgenössische Post die kantonalen Postverwaltungen ab. Von nun an ist nicht mehr jeder Kanton selbst zuständig für den Transport von Briefen, Paketen, Geldsendungen und Personen per Postkutsche. Post, Zollverwaltung und Telegrafenwesen werden vereinheitlicht. Zuvor hatten sich 17 Postorganisationen das Gebiet der Schweiz untereinander aufgeteilt. Entsprechend kompliziert, langsam und teuer war der Posttransport.
Noch ist es in der jungen Schweiz neu, dass der Staat Dienstleistungen zentralisiert. Die Post ist mit ihren Poststellen, Postkutschen und Postboten anfänglich die einzige Institution, die landesweit den neuen Staat repräsentiert – und damit das Vertrauen der Bevölkerung in die zentrale Verwaltung stärkt.
Nachrichten werden damals noch via Fussboten oder Postkutschen ausgetauscht. Je nach Zielort lädt man Sendungen mehrmals von einem Postkutschenkurs auf den nächsten um. Es gibt rund 1500 Poststellen, 1912 sind es bereits über 4000. Die Zustellung erfolgt sechs Mal am Tag. Bis 1924 gibt es auch eine Sonntagszustellung.
1850 werden schweizweit gültige Briefmarken eingeführt. Dass nun der Absender das Porto bezahlt, beschleunigt den Dienst des Postboten, der bis dahin die Transportkosten selbst beim Empfänger eintreiben musste. Die Briefmarken heissen «Zürich 4», «Doppelgenf» und «Basler Taube» und sind bis heute begehrte Sammlerstücke.
Roger Federer als Briefmarkensujet
Die ersten eidgenössischen Briefmarken zieren ein schlichtes Schweizer Wappen und ein Posthornsymbol. Die Schweiz ist nach England das zweite Land der Welt, das Briefmarken einführt. Bis in die 1940er-Jahre zeigen die Marken nationale Symbole wie die Alpen, Helvetia, Wilhelm Tell, Trachten oder Wappen. Später werden auch moderne Gebäude abgebildet, aktuelle Ereignisse oder Comicfiguren. 2007 zeigt die Post Tennnisstar Roger Federer auf einer Marke – und damit zum ersten Mal in ihrer Geschichte eine lebende berühmte Person.
1857 wird die Bahnpost eingeführt, das neue Rückgrat der Postbeförderung. In speziellen Bahnwagen werden die Postsendungen unterwegs sortiert. Gute Geografiekenntnisse sind gefragt, denn noch gibt es keine Postleitzahlen.
1869 wird in Österreich die erste Postkarte verschickt, die damals «Correspondenzkarte» hiess und die noch kein Bild zierte. Weil sie dem Briefgeheimnis widerspricht, vermerkt die österreichisch-ungarische Post vorsorglich darauf, sie übernehme «keine Verantwortlichkeit für den Inhalt der Mitteilungen». Bereits 1870 führt auch die Schweiz als weltweit viertes Land die Postkarte ein.
Die Postkarte: Ein Millionen-Hit
Die Postkarte kommt sehr gut an, auch weil sie nur das halbe Porto eines Briefes kostet und einfacher zu beschrieben ist. Sie erlaubt Zeitgewinn in der Kommunikation und passt perfekt in die Zeit der Industrialisierung. Insbesondere Hotels, Bäder und Handelshäuser setzen die neue Postkarte als Werbeträger ein.
In den 1870er-Jahren kommen erste Karten mit Bildsujets auf, praktisch gleichzeitig wie der aufblühende Tourismus, der zum Massengeschäft wird. Mittels Postkarte kann man die Daheimgebliebenen grüssen und ihnen zeigen, wie schön man es in den Ferien hat.
Damals werden Foto-Ansichtskarten noch Abzug für Abzug von Hand koloriert, oft mittels Schablonen. Effizienter geht es nach der Erfindung des Photochrom-Verfahrens durch Orell Füssli in Zürich, mit dem man Schwarz-Weiss-Negative in verschiedenen Farben drucken kann. Auf dem Höhepunkt des Postkartenbooms vor dem ersten Weltkrieg werden in der Schweiz weit über Hundert Millionen Postkarten umgesetzt.
Die Post repräsentiert in ihren eleganten Postgebäuden, die in den Kantonshauptorten entstehen, den Bundesstaat in allen Regionen der Schweiz. Als idealer Standort gilt seit der Bahnpost die Nähe zum Bahnhof. In den 1880er-Jahren entstehen in rascher Folge repräsentative Postgebäude in verschiedenen Schweizer Städten, die sich in ihrem Stil an der klassischen Antike und der italienischen Renaissance orientierten. Später wendet man sich von diesen palastartigen Bauten ab und baut moderner, wie etwa die 1930 eröffnete Sihlpost in Zürich, die mit Förderanlagen, Drehtischen und Rutschen ausgestattet ist.
1906 wird der Post ein «Postcheck- und Girodienst» übertragen. Nun kann jeder und jede ein Konto eröffnen und bargeldlos Überweisungen tätigen. Vor allem Privatpersonen und kleinere Unternehmen wickeln so ihren Zahlungsverkehr ab. 1950 zählt die Post bereits über 200’000 Postcheckkonten.
Um diese Zeit führt die Post gelochte Einzahlungskarten ein, die man teilautomatisiert verarbeiten kann. Erste Computer folgen in den 1960er-Jahren und seit 1978 gibt es Postomaten, an denen man Bargeld rund um die Uhr abheben kann.
Das Postauto macht Karriere
1906 ist auch in Sachen Postauto ein Meilenstein: Der erste Automobil-Postkurs mit 14 Plätzen verbindet Bern mit dem rund 20 Kilometer entfernten Detligen. Das bedeutet doppelt so viele Sitzplätze und doppeltes Tempo im Vergleich zur Postkutsche. Die Fahrzeuge sind jedoch störanfällig und verursachen hohe Betriebskosten. Zudem ist damals die Skepsis gegenüber Autos gross. Erst nach dem Ersten Weltkrieg startet der eigentliche Aufschwung des Postautobetriebs – nicht zuletzt, weil die Post 40 Armeelastwagen zu Postautos umbaut. Ab 1920 verdrängt die Autopost die Pferdepost auf immer mehr Linien.
Nach dem Zweiten Weltkrieg wird das Postauto ein Alltagsverkehrsmittel. Seit den 1920er Jahren befahren Postautos die grossen Alpenpässe und werden zum Symbol der Schweiz. Sie stehen für technischen Fortschritt, Zuverlässigkeit und auch für die Schönheit des Landes. Das charakteristische Dreiklanghorn mit dem «Dü-da-do» erklingt ab 1924 auf den Bergpoststrassen. Die bis heute verwendete Tonfolge «cis-e-a» ist an die Ouvertüre zu Rossinis «Wilhelm Tell» angelehnt.
In den 1920er-Jahren werden die «Schwestern» Post und Telefon- und Telegrafendienst zur PTT vereint – bis sie 1998 als Post und Swisscom wieder getrennte Wege gehen. Zum Zeitpunkt ihrer Auflösung ist die PTT die grösste Arbeitgeberin der Schweiz und generiert mit 13 Milliarden Franken den grössten Inlandumsatz.
Während der Weltkriege befördert die Post Millionen portofreie Sendungen von Kriegsgefangenen und Internierten. Die 1889 begründete Feldpost macht bis zu einem Viertel des inländischen Briefaufkommens aus und wirkt als Bindeglied zwischen zivilem und militärischem Leben.
Einmal Post, immer Post
Für viele Angestellte gilt: Einmal Post, immer Post. Zu PTT-Zeiten sind die meisten Pöstler Beamte und bleiben ihrem Arbeitgeber bis zur Pensionierung treu. Eine Anstellung bei der Post bedeutet, bei jeder Wirtschaftslage einen sicheren Arbeitsplatz zu haben und von einem fast totalen Kündigungsschutz zu profitieren.
Für die Angestellten von diplomierten oder uniformierten Beatmen über die Betriebsassistentinnen, die als so genannte Gehilfinnen am Schalter arbeiten, bis zu den angelernten Mitarbeitenden und Aushilfen sind alle Abläufe bis ins Detail geregelt. Die Vorschriften füllen gebundene Bücher. So müssen die Beamten die Korrespondenzen etwa mit einer Schleife statt mit einem Knoten zusammenbinden, um Bindfaden wiederzuverwenden und zu sparen.
1939 werden die ersten einheitlichen Briefkästen eingeführt – vorher waren diese oft dunkelgrün oder rot und nicht gleich gestaltet. Erst jetzt wird die Farbe «Postgelb» obligatorisch. Sogar erst 2002 normiert und schützt die Post ihre Farbe, sodass die Konkurrenz sie nicht mehr für den gleichen Zweck verwenden darf.
1961 fährt auf der Linie Avers-Juf die letzte Pferdepost der Schweiz – ganz im Zeichen der umfassenden Rationalisierungen im Postbetrieb ab den 1960er-Jahren. Drei Jahre später werden die Postleitzahlen eingeführt, die zu einer starken Vereinfachung der Sortierung führen und die Grundlage für die spätere maschinelle Sortierung bilden.
Ab den 1970er-Jahren steht die Kaderlaufbahn bei der Post endlich auch Frauen offen. Sie hatten zwar immer schon wichtige Posten bekleidet, waren aber den Männern nicht gleichgestellt. Selbst wenn sie ähnliche oder gleiche Aufgaben übernahmen wie ihre verbeamteten Kollegen, verdienten sie deutlich weniger.
Das Fräulein von der Post
Die meisten Aufgaben und Berufe sind klar an Geschlechter-Stereotypen orientiert. Als klassische Männerdomänen gelten lange Zeit physisch anstrengende Arbeiten wie der Einsatz als uniformierter Pöstler. Frauen arbeiten meist in ausführenden Funktionen am Schalter, im Postcheckdienst und in der Verwaltung. Offiziell gibt es keine Chefinnen. Inoffiziell leitet die als Assistentin ausgebildete Ehefrau eines Posthalters aber durchaus das Postbüro.
Damals bestimmen Väter und Ehemänner, ob ihre Frauen und Töchter überhaupt arbeiten dürfen. Frauen, die nach der Heirat weiterarbeiten wollen, nähmen anderen, die es nötiger hätten, eine Verdienstmöglichkeit weg, hiess es. Zu Kriegszeiten oder bei Personalmangel hingegen ist der Postbetrieb auf Frauen angewiesen. Plötzlich verrichten sie Arbeiten, die man ihnen vor und nach der Krise nicht zutraut. Auch wenn Kosten gespart werden müssen, setzt man auf Frauen: Gehilfinnen ohne Beamtenstatus arbeiten billiger als ihre männlichen Kollegen.
Die 1990er-Jahre warten nochmals mit Neuerungen auf: 1991 gibt es mit der Einführung der A- und B-Post neu zwei Tarife und zwei Geschwindigkeiten – damals noch zu 80 bzw. 50 Rappen. Und das Jahrhundert endet mit einem Jahrhundertraub: Im September 1997 fahren fünf junge Männer mit einem Lieferwagen in den Innenhof der Zürcher Fraumünsterpost und erbeuten in nur vier Minuten 53 Millionen Franken. Ein Dokumentarfilm zeichnet diesen Coup nach.
Das Jubiläum: Feiern Sie mit!
Jubiläumsführungen im Museum für Kommunikation in Bern: Eine Reise durch 175 Jahre Post mit Einblicken in die Post von gestern, heute und morgen. 23. März bis 5. Oktober 2024, immer samstags um 13.00 Uhr, 14.00 Uhr oder 15.00 Uhr.
Blick hinter die Kulissen und Tage der offenen Tür in Postfilialen und Verarbeitungszentren.