Grossvaters Truhe
Kürzlich fragten wir unsere Leserinnen und Leser, welches Erinnerungsstück sie über die Jahre aufbewahrt haben – und was sie damit verbindet. In einer losen Reihe zeigen wir einige dieser wohlbehüteten Schätze und erzählen die Geschichte, die dahinter steckt. Heute: die Truhe von Elisabeth Bosshards Grossvater.
«Er war die gute Seele des Hauses», beginnt Elisabeth Bosshard die Geschichte ihres Grossvaters. Früher, als sie noch im grossen Haus im appenzellischen Teufen gewohnt hatten, das gleichzeitig als Pension diente, habe er rund ums Haus gewischt, für die Gäste Frühstück gemacht, gekocht – und nebenbei die Enkel getröstet, wenns von den Eltern «Schimpf» gab.
Etwas, das sie wohl mit ihrem Grossvater gemeinsam habe: Wie er früher, sei auch sie jetzt der ruhende Pol der Familie. So ging auf dem Schoss des Grossvaters der Ärger schnell vergessen. Besonders dann, wenn dieser sein künstliches Gebiss auf die Bitte der Enkelin herausnahm. «Grosspapi, magst du nicht mal deinen ‹Stoff› rausnehmen?», habe sie manchmal gefragt. «Nicht die Zähne, den Stoff. So habe ich das genannt», erzählt die gebürtige Teufnerin und lacht. Immer habe er ihr den Gefallen nicht getan. Wenn doch, dann habe sie sich «schaurig» gefreut.
All das schwingt nun mit, wenn Elisabeth Bosshard die Truhe ihres Grossvaters betrachtet. Vom Estrich hat sie es ins Wohnzimmer des renovierten Appenzeller Hauses geschafft. Dort dient sie heute nicht nur als Dekoration, sondern ist immer noch Gebrauchsgegenstand – gefüllt mit Weihnachtsdekoration.
Was einmal mit der Truhe passieren soll, die nur schon aus handwerklicher Sicht eine spannende Zeitzeugin sei, weiss die zweifache Mutter nicht. Wenn ihre Tochter Freude daran habe, dann dürfe sie sie gerne haben. «Wenn mir jemand Geld dafür bieten würde, dann würde ich zuerst meine Tochter fragen, ob sie Interesse an der Truhe hat.» Wenn nicht, dann würde sie sie verkaufen – wenn es denn ein Käufer wäre, der die Truhe wirklich schätze und nicht nur verscherbeln wolle. Das gehöre zum Leben, meint die 75-Jährige. Irgendwann müsse man alles loslassen.
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