Missionsbasar 25. November 2024
Die langjährige Zeitlupe-Redaktorin Usch Vollenwyder erzählt alle zwei Wochen aus ihrem Alltag im bernischen Gürbetal. Heute: von Wollsocken, Kerzenziehen und Losglück.
Er kommt jedes Jahr so sicher wie die anschliessenden Weihnachtsmärkte: der Missionsbasar im Kirchgemeindehaus im Nachbardorf. Mit Kaffeestube, Flohmarkt und Ständen voller Handarbeiten von verschiedenen Frauengruppen. Und dem Kerzenziehen, organisiert von der Jugendgruppe. Lange Zeit ging ich nur hin, um mir ein Paar Wollsocken für die kalten Nächte zu erstehen und den kleinen Losverkäufern zuliebe eines ihrer Fünf-Franken-Lose abzukaufen. Vor einigen Jahren hat die grosse Kleine jedoch das Kerzenziehen entdeckt. Seither macht sie richtige Kunstwerke – während ich Runde um Runde auf dem Flohmarkt drehe, einen Kaffee trinke und mir in der Kälte die Füsse vertrete.
Am letztjährigen Missionsbasar sagte ich zu ihr, sie solle für mich doch ebenfalls eine Kerze ziehen. Das stand jedoch nicht auf ihrem Programm, sie hatte bereits andere Pläne. Ich wurde richtig grantig: Immerhin würde ich sie seit Jahren begleiten, in der Kälte herumstehen, auf sie warten und überhaupt … Mir gingen die Worte aus. Gibt es eigentlich schimpfende Grossmütter? Oder haben die immer gütig und verständnisvoll zu sein?
Während ich unsere kurze Auseinandersetzung schon am gleichen Abend vergessen hatte, war sie für die grosse Kleine noch nicht erledigt. Also ging ich mit einem Engel und einem Friedensangebot auf sie zu: Konflikte seien nichts Schlimmes, man müsse nur bereit sein, sie zu bereinigen. Und sowieso würde nichts auf der Welt etwas an meiner Mega-Liebe zu ihr ändern. Am Abend bekomme ich ein Engelsbild geschenkt.
Dem diesjährigen Missionsbasar sehe ich mit einem etwas mulmigem Gefühl entgegen. Die grosse Kleine hat unseren ersten und bisher einzigen Streit bestimmt nicht vergessen. Ich ja auch nicht. So bringt der neutrale Grossätte das Gespräch auf das baldige Kerzenziehen. Es ist keine Frage: Sie will hingehen. Und ich gehe mit, drehe Runde um Runde auf dem Flohmarkt, trinke einen Kaffee und vertrete mir in der Kälte die Füsse. Am Ende des Nachmittags zeigt sie mir ihre drei Kerzen – eine ist schöner als die andere. Dann schenkt sie mir die erste, die sie gezogen hat. Hellblau ist sie, mit goldenen Sternen verziert. «Für dich, Grosi.» Ich muss schlucken und ziehe die grosse Kleine an mich. Alles ist gut.
Übrigens: Auch an diesem Missionsbasar habe ich zwei kleinen Verkäuferinnen ein Los abgekauft. Ein Treffer! Ich muss laut lachen, als ich meinen ungewöhnlichen Gewinn betrachte: es ist ein Nachtessen zu zweit beim Gemeindepfarrer und seiner Frau – was für ein lustiger und unkonventioneller Preis!
- Haben Sie auch schon mit ihren Enkelkindern geschimpft? Oder sind Sie immer gütig und verständnisvoll? Wir würden uns freuen, wenn Sie uns an Ihren Gedanken teilhaben lassen oder die Kolumne teilen würden. Herzlichen Dank im Voraus.
- Hier lesen Sie weitere «Uschs Notizen»
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