Verjüngender Mikroben-Cocktail
Stuhltransplantationen helfen nicht nur bei schweren Durchfallerkrankungen. Sie könnten auch einen Anti-Aging-Effekt auf den gesamten Körper haben.
Text: Claudia Senn
Erst in den letzten Jahren hat die Forschung entdeckt, wie eng unsere Gesundheit mit der Zusammensetzung unserer Darmflora, dem Mikrobiom, verknüpft ist. Etwa 30 bis 100 Billionen Bakterien leben im menschlichen Verdauungstrakt. Sie machen ein bis zwei Kilogramm unseres Körpergewichts aus und helfen uns beim Zerlegen der Nahrung und der Versorgung mit Nährstoffen.
Die Zusammensetzung dieses Mikrobioms ist so individuell wie ein Fingerabdruck. Gerät sie aus dem Tritt, können auch wir aus der Balance geraten. Die Forschung geht heute davon aus, dass Darmerkrankungen, Übergewicht, Diabetes, Allergien und Asthma, aber auch Depressionen, Parkinson, Multiple Sklerose, Autismus und eine Vielzahl weiterer Krankheiten von den Mikroben im Darm beeinflusst werden. Sie entscheiden darüber, ob wir gesund oder krank, dünn oder dick, glücklich oder deprimiert sind. Mit zunehmendem Alter sinkt die Zahl der nützlichen Bakterien, während sich schädliche Keime vermehren. So können sich Entzündungsprozesse im Körper verstärken. Der Alterungsprozess schreitet voran.
Die gute Nachricht ist, dass sich die Darmflora positiv beeinflussen lässt. Mit einer ballaststoffreichen Ernährung – aber auch mit dem Stuhl von gesunden Spendern. Bei schweren Durchfallerkrankungen gelten Stuhltransplantationen schon seit geraumer Zeit als erfolgreicher Therapieansatz. Dafür werden die Fäkalien gereinigt, aufbereitet, in magensäureresistente Kapseln abgefüllt und geschluckt oder während einer Darmspiegelung in den Dick- und Dünndarm eingebracht. Milliarden frischer Mikroorganismen sorgen dann dafür, dass sich das empfindliche Organ wieder erholt.
Bei gebrechlichen Patientinnen und Patienten mit lebensbedrohlichen Durchfällen hat man beobachtet, dass eine Stuhltransplantation nicht nur den Darm wieder ins Lot brachte, sondern oft auch den Allgemeinzustand verbesserte. Liegt in der Therapie vielleicht sogar Anti-Aging-Potenzial? Damit befasst sich nun die Forschung. Am Kölner Max-Planck-Institut für Biologie untersuchten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in Tierversuchen, ob sich der körperliche Verfall mit aufbereiteten Fäkalien bremsen lässt. Bei Türkisen Prachtgrundkärpflingen, einer Fischart mit kurzer Lebensdauer, klappte das ziemlich gut. Die Forschenden töteten erst die Darmbakterien von älteren Exemplaren mit Antibiotika ab, um sie danach mit Mikroben junger Artgenossen zu besiedeln. Die so behandelten Fische wurden deutlich älter. Auch bei Mäusen verlängerte sich die Lebensspanne nach einer Fäkalienkur.
Ob sich die Erkenntnisse auf den Menschen übertragen lassen, muss erst in klinischen Studien belegt werden. In der Zwischenzeit tun wir gut daran, unser Mikrobiom zu pflegen. Lebensgrundlage der nützlichen Darmbakterien sind in erster Linie Ballaststoffe. Deshalb sollte man jeden Tag etwa 30 Gramm davon essen. Stehen ausreichend Obst und Gemüse, Vollkornbrot, Hülsenfrüchte, Nüsse und Samen auf dem Ernährungsplan, halten wir damit nicht nur unser Mikrobiom jung, sondern auch uns selbst.
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