Leonard Cohen: Von der Sinnsuche und der Liebe für die Ewigkeit
Am 21. September 2024 wäre Leonard Cohen 90 Jahre alt geworden. Aus diesem Anlass greift die neue Serie «So long, Marianne» ein frühes, sehr emotionales Kapitel seines Lebens auf – als der Song-Poet nach Griechenland flüchtet und dort eine Frau trifft, die ihn nie mehr loslassen wird.
Text: Marco Hirt
Es ist eines seiner berühmtesten Lieder: «So long, Marianne», inspiriert von einer Frau, die Leonard Cohen in seinen jungen Jahren kennenlernte. Eine Beziehung, die die beiden trotz des Scheiterns nie mehr losliess. «So long, Marianne» heisst denn auch die Serie, die diese intensive, aber komplizierte Liebesgeschichte aufleben lässt. Anfang der 60er-Jahre führte sie das Schicksal auf der griechischen Insel Hydra zusammen – ein Zufluchtsort für den in Kanada geborenen Cohen, der sich damals vom Dichter zum Singer-Songwriter wandelte: Er wollte dem bürgerlich-jüdischen Milieu seines Elternhauses und deren Erwartungen an ihn definitiv entkommen, die Norwegerin Marianne Ihlen steckte gerade in einer toxischen Partnerschaft. Sie sind sich sofort sehr nah – zwei Menschen, die auf der Suche sind nach ihrem Platz in der Welt. «Ihre Lebensverläufe damals ähneln sich in gewisser Weise», beschreibt «So long, Marianne»-Regisseur und -Autor Øystein Karlsen. «Sie sind beide von zu Hause weggelaufen, weil sie das Gefühl hatten, nicht in die Zukunft zu passen, die ihre Eltern für sie vorgesehen hatten.»
«Jeder versucht sein Bestes»
Vor dem idyllischen Hintergrund der Aussteigerinsel begann die intensive Liebesbeziehung, doch so sehr sie auch wollten, trennten sich ihre Wege. Eine besondere Intensität, die in diesem Teil der Geschichte liege, meint Øystein Karlsen. «Jeder versucht sein Bestes, aber das ist manchmal nicht gut genug. Das ist wirklich hart, wenn niemand etwas dafür kann, wenn es einfach so ist, wie es unter uns Menschen nun einmal sein kann.» Hinzu kam, dass Ende der 60er-Jahre der Bekanntheitsgrad von Leonard Cohen markant zunahm. «Er meinte einmal: Ich opferte meine Liebe auf dem Altar des Ruhms.»
Die Ikone Leonard Cohen zu verkörpern, liess Hauptdarsteller Axel Wolff eher unbeeindruckt. Er las zur Vorbereitung viel über ihn, sah sich Auftritte an, hörte seine Musik. «Und hätte ich dann nicht weiter gewusst, hätte ich einfach einen Kaffee getrunken und mein Scheitern akzeptiert», so der 26-jährige Amerikaner. Anders hingegen erging es Thea Sofie Loch Naess, die Marianne spielte: «Ich hatte noch nie so viel Angst vor einer Rolle, weil ich jemanden porträtiert habe, der real existiert hat.» Man wolle einfach sicherstellen, dass dies mit Liebe und Respekt geschehe. «Es war für mich das Wichtigste, die Person stolz zu machen, falls sie noch leben würde», erklärt die 27-jährige.
Griechen-Insel Hydra – ein magischer Drehort
Dieselben Gefühle teilen sie hingegen, was die Insel Hydra angeht. Dort standen sie an den Originalschauplätzen vor der Kamera. «Als sei man in einem wunderschönen Gemälde», schwärmt Wolff von der 65 Kilometer südwestlich von Athen gelegenen Insel. «Es ist der liebste Ort, an dem ich bisher jemals gewesen bin.» Die Norwegerin beschreibt die Dreharbeiten dort sogar als «eine der magischsten Erfahrungen» ihres Lebens. «Zum Beispiel war es wunderschön zu erfahren, dass dort jeder Marianne kennt und allein die Nennung ihres Namens ein Strahlen in die Gesichter der Menschen bringt.»
Anfang der 70er-Jahre erlosch zwar ihre Liebe, als Freunde blieben sich Leonard und Marianne bis zum Ende eng verbunden. Letzte Worte von ihm erreichten sie sogar kurz bevor sie Ende Juli 2016 in Oslo an Leukämie starb – nur kurze Zeit nach der Diagnose. Seinen ebenfalls nahenden Tod ahnend, schrieb er in seinem berühmten Brief, der später öffentlich wurde: «Marianne, wir sind nun beide in dem Alter angekommen, wo unsere Körper langsam anfangen zu vergehen. Und ich denke, dass ich dir bald folgen werde. In dem Wissen, dass ich so nah bei dir bin, kannst du einfach deine Hand ausstrecken, und ich denke, du wirst meine erreichen. Du weisst, dass ich dich immer für deine Schönheit und Weisheit geliebt habe, aber ich muss gar keine Worte mehr darüber verlieren, denn du weisst das alles schon. Aber jetzt wünsche ich dir eine gute Reise. Goodbye, meine liebe Freundin. In unendlicher Liebe, ich sehe dich ganz bald.» Als ihr der Satz mit der ausgestreckten Hand vorgelesen wurde, habe sie tatsächlich ihre Hand von sich gestreckt, beschrieb ein Vertrauter Mariannes den Moment.
Zwei Tage später verlor Marianne Ihlen das Bewusstsein und starb. Wenige Monate darauf wurde auch Leonard Cohen abberufen: Er war ebenfalls an Leukämie erkrankt, Blutgerinnungsstörungen deswegen und ein Sturz führten in seinem Haus in Los Angeles am 7. November 2016 zu seinem Tod.
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zum Artikel von Urs Musfeld
Gut zu wissen
- «So long, Marianne» ist im NDR Fernsehen am Mittwoch, 2. Oktober (ab 23.30 Uhr, Teile 1 bis 4) und am Donnerstag, 3. Oktober (ab 23.30 Uhr, Teile 5 bis 8) zu sehen. Die emotionale Geschichte ist auch im gleichnamigen biografischen Roman von Sylvia Frank mit dem Untertitel «Leonard Cohen und seine grosse Liebe» nachzulesen (Aufbau Taschenbuch Verlag, ca. Fr. 22.90).
- «Hallelujah: Leonard Cohen, ein Leben, ein Lied» zeigt Arte am Freitag, 20. September (21.45 Uhr). Der Dokumentarfilm aus dem Jahr 2021 zeichnet die Geschichte des berühmten Folksongs nach, mit dem Cohen Jahre spiritueller Sinnsuche verband.
- «Leonard Cohen – Live in London» wird von Arte am 20.9. anschliessend um 23.35 Uhr gezeigt. Das legendäre Konzert aus dem Jahr 2008, von dem ein einstündiger Mitschnitt zu verfolgen ist, markierte Leonard Cohens Bühnencomeback. Er hatte sich zuvor für mehrere Jahre in ein buddhistisches Kloster zurückgezogen.