76. Herr Schulthess möchte nochmals nach Berlin Aus «Staatsmann im Sturm»

Die Verdunkelung ist militärisch sinnlos, wie dies Flieger- und Flabchef Bandi schon früh feststellt. Sie soll vor allem den Deutschen zeigen, dass wir es mit der Neutralität genau nehmen. Pilet bemüht sich um gute Beziehungen zu allen Staaten, aber Vorrang hat Deutschland. Berlin kann die Schweiz aushungern oder arbeitslos machen. Wie viele seiner Landsleute fragt er sich: Was hat Deutschland mit uns vor?

Einen deutlichen Fingerzeig erhält der Bundespräsident, als ihm die Kopien eines Briefwechsels zwischen Reichwirtschaftsminister Walther Funk und Reichsmarschall Göring vorgelegt werden. Wie der Bundesrat zu diesen Dokumenten kam, bleibt unklar, aber jedenfalls geben sie Aufschluss über die Pläne Berlins für das «neue Europa». Göring hat bereits am 22. Juni, dem Tag, an dem in Compiègne den Franzosen die Waffenstillstandsbedingungen diktiert wurden, Reichswirtschaftsminister Funk beauftragt, ein Arbeitsprogramm über die künftige Gestaltung der europäischen Wirtschaft auszuarbeiten.

Als Funk am 6. August antwortet, geht er davon aus, dass der Krieg weitergeht, bis England mit einem Vernichtungsschlag in die Knie gezwungen wird. Er kann folglich Göring keine definitiven Angaben machen, behandelt aber in seinem geheimen Brief die «grundsätzliche Seite» eines künftigen europäischen Wirtschaftssystems:

Ich gehe davon aus, dass die Eingliederung der besetzten Gebiete in die grossdeutsche Wirtschaft und der Neuaufbau einer europäischen Kontinentalwirtschaft unter deutscher Führung nicht durch einen einmaligen staatspolitischen Akt, etwa durch Abschluss einer Zoll- und Währungsunion allein erfolgt, sondern dass dieses Ziel durch eine Reihe von Einzelmassnahmen, mit denen sofort begonnen werden soll, und zum Teil auch schon begonnen worden ist, erreicht werden muss. Massgebend muss dabei sein, die europäischen Volkswirtschaften so vollkommen und eng wie möglich mit der grossdeutschen Wirtschaft zu verflechten.

Die europäischen Volkswirtschaften sollen für den «deutschen Bedarf» arbeiten. Ein europäisches Zahlungssystem (Zentralclearing) auf der Grundlage der Reichsmark soll geschaffen werden. In Pilets Kopie sind einzelne Worte in diesem Programm – vermutlich von ihm selber – unterstrichen: 

4. Kontrolle des zwischenstaatlichen europäischen Warenverkehrs sowie des europäischen Warenverkehrs mit Aussereuropa im grossen mit staatlichen Abmachungen unter Einsatz der deutschen Machtmittel. Kontrolle der Wirtschafts- und Finanzpolitik der europäischen Staaten mit dem Ziel einer möglichst weitgehenden Angleichung der dort gültigen wirtschaftspolitischen Methoden und Formen der wirtschaftlichen Betätigung an die deutschen Normen.

Was unter dem «Einsatz der deutschen Machtmittel» zu verstehen ist, kann sich Pilet denken. Die bedrohliche Anwesenheit deutscher Truppenverbände in Nähe der Schweizer Grenze ist ein solches Machtmittel. Langfristig stellt sich Funk eine «europäische Gesamtorganisation unter deutscher Führung» so vor:

b) Einbeziehung der in Betracht kommenden europäischen Wirtschaftszweige in die deutschen marktregelnden Verbände (Kartelle), wobei die deutsche Führung sicher zu verankern ist (Eisen, Kohle, Metalle, Chemie, Elektrizität, usw.)

c) Kapitalmässige Beherrschung der wichtigsten europäischen Wirtschaftserzeugungen (Rüstungsindustrie, Eisen- und Metallwirtschaft usw.) [hier handschiftlich hinzugefügt das Wort Aluminium.]

d) Personelle Durchdringung der massgebenden europäischen Wirtschaftspositionen mit geeigneten deutschen Fachleuten.

Ermutigend für die Schweiz ist folgender Punkt:

Vereinfachung der Genehmigungspraxis für den zwischenstaatlichen europäischen Warenverkehr, Abbau von hemmenden Vorschriften, Anpassung des Zollsystems und die Notwendigkeit der Intensivierung des Warenverkehrs und der Zusammenarbeit auf industriellem, rohstofflichem und agrarischem Gebiet.

Zwei Wochen später antwortet Göring dem «Parteigenossen Funk»:

Ich stimme Ihnen darin vollständig zu, dass während des Krieges die Erzeugung von Nahrungsmitteln und kriegswichtigen Gegenständen in dem von Deutschland beherrschten Raum gesteigert werden muss. Alle zu diesem Zweck erforderlichen Massnahmen, die noch während des Krieges einen wirksamen Erfolg erwarten lassen, müssen schnellstens getroffen werden.

Für die Nachkriegszeit teile ich ebenfalls Ihre Auffassung, dass es darauf ankommt, den wirtschaftlichen Machtbereich Deutschlands in Europa und der übrigen Welt soweit wie möglich zu erstrecken und dem deutschen Volk bei voller wehrwirtschaftlicher Sicherung den höchstmöglichen Lebensstandard zu geben.

An der Wiener Messe stellt die Schweiz im September Uhren, Stoff und Spitzen aus. Messebesucher Minister Frölicher hält den schweizerischen Messepavillon für ein «Meisterwerk». Der Gesandte kann am Schweizer Stand Reichswirtschaftsminister Funk und den für die «Ostmark» zuständigen Reichsstatthalter Baldur von Schirach begrüssen:

Herr Funk äusserte sich sehr anerkennend und bei Besichtigung einer Vitrine, die auch Uhren enthielt, meinte er, diese Uhren seien nicht so schön und so gut wie er eine habe. Er zog aus seiner Tasche ein 20-Dollar-Stück hervor, das in zwei Hälften geschnitten war und im Innern ein Uhrwerk enthielt. «Auch eine Schweizer Uhr, die ich von der Schweiz bekommen habe und die ausgezeichnet geht», erklärte der Reichsminister seinem Gefolge. Bei einer schlanken Modepuppe mit St.Galler Stickereien und Stoffen bekleidet bemerkte er, das sei zwar keine Helvetia, und lachend fragte er noch: «Wo sind die Granatzünder?»

Es ist Funk nicht verborgen geblieben, dass die Schweiz weiter Granatzünder nach England schmuggelt. Der Reichswirtschaftsminister gibt sich wohlwollend:

Er sprach sein grosses Bedauern aus, dass Bundesrat Obrecht so frühzeitig habe sterben müssen. Er habe seinen Besuch bei ihm in bester Erinnerung, die gemütlichen Stunden in seinem Haus am Bieler See, den guten Tropfen Wein, weswegen er beinahe ein Nachtessen in Basel verpasste. Er behalte Herrn Obrecht und seine vor ihm verstorbene Gemahlin in bester Erinnerung. Er glaube, fügte er hinzu: «Ich bin ihm sympathisch gewesen.»

Über deutsche Zukunftspläne hat sich auch Dr. jur. und Oberstleutnant Wilhelm Frick, Mitglied des Volksbunds, erkundigt. Er hat Pilet einen Bericht über seine Geschäftsreise nach Berlin zugeschickt. Bevor er ihn liest, erkundigt sich Pilet über W. Frick. Er sei im Schweizer Juristenverein «sehr bekannt» und habe für «Bewegungen der Rechten Sympathien gezeigt, ohne die tolerierbaren Grenzen zu überschreiten».

In Berlin erfuhr Frick, was «massgebende deutsche Kreise» über die «Einordnung der Schweiz in die Wirtschaft der Achse Berlin-Rom» denken:

a) Gemeinsame Wirtschaftskommissionen zur Verständigung über die allgemeinen wirtschaftlichen Fragen.

b) Anpassung der schweizerischen Industrie an die Abnahmemöglichkeiten im Deutschen Reiche. c) Bau von Elektrowerken und Lieferung von elektrischem Strom nach Deutschland.

d) Gemeinsames Studium der Transport-Probleme und Anpassung der Transportverhältnisse an die Bedürfnisse der Achse.

e) Mitwirkung beim Studium einer Europa-Währung.

Diese angeblichen deutschen Wünsche gehen weiter, als dies Pilet lieb sein kann. Eine «Europa-Währung», die auf die Reichsmark gestützt wäre, kommt für die neutrale Schweiz nicht in Frage.

Frick ist Kunde der Bodenkreditanstalt (SBKA), der von der Schweizer Kreditanstalt kontrollierten Hypothekarbank, die in Deutschland vermögende Klienten hat. Ein anderer Kunde der SBKA ist der schwerreiche Geheimrat Oeding, den Alt-Bundesrat Edmund Schulthess im Sommer im Grand Hotel Gurnigelbad kennen gelernt hat. Oeding hat Zugang zu höchsten politischen und militärischen Kreisen in Berlin. Er hat Willy Schulthess, den Neffen des Alt-Bundesrats, mit General Bodenschatz, einem engen Vertrauten von Reichsmarschall Göring, zusammengebracht. Willy Schulthess ist Direktor der SBKA und zuständig für deren Deutschlandgeschäft.

Auf Wunsch Frölichers empfängt Bonna – Pilet ist in den Ferien – am 17. Oktober den aus Deutschland zurückkehrenden, von seinem 72-jährigen Onkel begleiteten Willy Schulthess. Aus dem Gespräch zu dritt ergibt sich, dass General Bodenschatz eine baldige Berlin-Reise «einer Schweizer Persönlichkeit wie Herr Bundesrat Schulthess» vorgeschlagen hat. Er würde ihm «auf der Stelle ein Rendez-vous mit Herrn Göring verschaffen». Bonna berichtet Pilet, Monsieur Ed. Schulthess habe ihm gesagt, «er habe keine besondere Lust», diese Rolle zu spielen, wäre aber bereit, dies zu tun. Pilet, der im Juli mit Schulthess geredet und korrespondiert hat, weiss, dass Schulthess darauf erpicht ist, als Sonderemissär nach Berlin zu reisen.

Sofort nach seiner Rückkehr aus Les Chanays trifft sich Pilet am 23. Oktober mit dem Alt-Bundesrat und ein zweites Mal eine Woche später mit ihm und dessen Neffen. Vor dieser Unterredung am 30. Oktober merkt sich Pilet ein paar Hauptpunkte: Die Reise des Alt-Bundesrats soll geheim bleiben, sie soll nicht über das Auswärtige Amt gehen, Weizsäcker sei erst nachträglich zu treffen, Schulthess soll in der Gesandtschaft logieren. Zur neusten Situation in Berlin notiert Pilet:

Göring hat die Macht, vor allem wirtschaftlich – Funk hat an Einfluss verloren
Atmosphäre in Deutschland besser
Pressekorrespondent recht gut empfangen.

Beim erwähnten Pressekorrespondenten handelt es sich um Peter Dürrenmatt, der künftig für die Schweizer Mittelpresse aus Berlin berichten soll. Er ist eben von einer dreiwöchigen Erkundungsreise aus der Reichshauptstadt zurückgekehrt und hat Pilet über die dort gemachten Erfahrungen berichtet. Dürrenmatt, Sohn von Regierungsrat Hugo und Cousin von Schriftsteller Friedrich, ist ein zuverlässiger Journalist. Er erlebte als Lehrer in Deutschland die Machtübernahme der Nazis und hat keine Sympathien für sie. Dürrenmatt glaubt, wie er später auch Feldmann erzählt, dass die «NSDAP es nach wie vor auf die Schweiz abgesehen hat, während im Auswärtigen Amt und in der Wehrmacht Leute sind, die für uns grosses Verständnis haben ». Dies ist für Pilet keine Neuigkeit. In seinen vorbereitenden Notizen für das Gespräch mit den beiden Schulthess findet sich das Stichwort «Hitler». Unklar ist, ob Schulthess den Führer treffen soll oder kann.

Eine Reise nach Berlin von Monsieur le Président Schulthess – wie Pilet ihn nennt – wäre nicht vergleichbar mit Deutschlandbesuchen von Geschäftsleuten, Parlamentariern wie L.F. Meyer, hohen Offizieren oder wenig bekannten Bundesbeamten. Auch nicht vergleichbar mit der Reise von Alt-Bundesrat Musy, dem der Bundesrat wegen seiner Nazifreundlichkeit misstraut. Musy hat Anfang September in Berlin den mit ihm befreundeten SS-Chef Himmler, die graue Eminenz Hjalmar Schacht und Weizsäcker getroffen. Weizsäcker soll Musy mit der ironischen Bemerkung herauskomplementiert haben, er, Musy, sei doch Jäger und er tue gut, nach Hause zu gehen, um englische Flieger, die das schweizerische Gebiet verletzten, herunterzuholen.

Zum Autor

Hanspeter Born, geb. 1938, Schulen in Bern, Dr. phil. hist.; Redaktor beim Schweizer Radio, USA-Korrespondent; Auslandchef der Weltwoche (1984–1997); Autor von Sachbüchern, darunter «Mord in Kehrsatz», «Für die Richtigkeit –Kurt Waldheim» sowie (mit Benoit Landais) «Die verschwundene Katze» und «Schuffenecker’s Sunflowers».

Am 31. Oktober, dem Tag nach seinem Besuch bei Pilet, verfasst Schulthess, der überzeugt ist, dass Deutschland den Krieg bereits gewonnen hat, ein Memorandum, in dem er die Hauptlinien seines Programms für Berlin zusammenfasst:

Die Reise muss ihrer Tendenz nach in erster Linie informatorischen Charakter haben. Man muss versuchen zu vernehmen, welche Rolle man der Schweiz im europäischen Konzert zudenkt und welches ihre politische und wirtschaftliche Stellung sein soll. 

Es ist kein Zufall, wenn Pilet die drei Worte «in erster Linie» unterstreicht. «Informatorischen Charakter» soll die Reise haben, d. h., Schulthess soll vor allem zuhören. Der Alt-Bundesrat will sich jedoch nicht darauf beschränken:

In wirtschaftlicher Beziehung ist es natürlich Aufgabe des Delegierten, herauszubringen, welche Rolle man uns zudenkt. Aber gerade weil wir in grundsätzlichen Dingen unsere Selbstständigkeit aufrecht erhalten wollen, müssen wir uns hüten, einfach nur in die Negation zu verfallen. Wir werden unsern Willen, an der Wiederaufrichtung Europas tatkräftig mitzuwirken, zum Ausdruck bringen müssen. Weil wir aber nicht schlechthin mit Deutschland und Konsorten mitarbeiten wollen, so wird man von uns erwarten, dass wir, wenigstens beispielsweise, gewisse Vorschläge machen, und ich glaube, wir sollten solche machen, soweit sie unsere Interessen nicht verletzen und unsere Selbstständigkeit nicht antasten.

Ich würde vorschlagen zu betonen, dass die Schweiz, die im Herzen Europas mitten zwischen den Achsenmächten liegt, bestrebt sein wird, eine kontinentale Verbindung zwischen den beiden Wirtschaftsgebieten herzustellen und nach Möglichkeit zu entwickeln. Sie wird also – würde ich sagen – alles tun, was möglich ist, um die Eisenbahnverbindungen zu verbessern und die höchstmögliche Leistungsfähigkeit zu erzielen. Dies gilt für die Lötschbergbahn, insbesondere aber für die Gotthardlinie, die man stark auszubauen im Zuge ist. Ferner ist es naheliegend, wenn wir darauf hinweisen, dass wir bereit sind, die zum guten Teil an unsern Grenzen liegenden, aber auch die im innern befindlichen Wasserkräfte auszubauen und die elektrische Energie für einmal bis auf weiteres Deutschland zur Verfügung zu stellen. In die gleiche Kategorie gehört die Entwicklung der Schiffahrt bis zum Bodensee und die Erleichterung des Automobilverkehrs durch Herstellung von Autostrassen.

Zum Vorschlag von Schulthess, Deutschland elektrische Energie zur Verfügung zu stellen, macht Pilet, wie auch zu anderen Punkten, ein Fragezeichen. Er fürchtet, dass Schulthess weiter gehen möchte, als dem Bundesrat lieb ist. Auf einem Karton, das der Alt-Bundesrat seinem Dokument angeheftet hat, schreibt er: «Mon cher Président, voilà les notes approuvées aujourd’hui par Messieurs Wetter et Stampfli. Bien à vous.»

Als er übers Wochenende von Pilet nichts hört, wird der alte Herr ungeduldig. Am Montag geht er ins Bundeshaus, wo ihm Bonna gesteht, er sei «pas exactement orienté», ob der Bundesrat jetzt in der Frage seiner Berlin-Reise entschieden habe. Pilet entschuldigt sich später schriftlich bei Schulthess. An den letzten beiden Sitzungen habe der Bundesrat nichts beschlossen, weil er nicht vollzählig gewesen sei. Pilet fügt hinzu:

Es besteht übrigens, ich verschweige Ihnen das nicht, eine grosse Unschlüssigkeit, und dies aus verschiedenen Gründen, die ich Ihnen darlegen werde, sobald ich über den Willen des Rats im Klaren sein werde.

Die BR-Sitzung vom 8. November wird dominiert von Pilets Meldung, dass die Kollegen Baumann und Minger ihren Rücktritt erklärt haben, und bringt Schulthess immer noch keine Antwort. Die Verzögerung lässt den Alt-Bundesrat ahnen, dass diese negativ ausfallen wird. Enttäuscht schreibt er Pilet am selben Tag:

Persönlich kann es mir sehr recht sein, wenn aus der Sache nichts wird, denn das wäre keine angenehme Mission gewesen, nach Berlin zu gehen für eine Behörde, die verschiedener Meinung und unentschieden ist.

Er hält das Verhalten des Bundesrats für falsch:

Offen gestanden muss ich Ihnen sagen, dass ich den gegenwärtigen Moment nicht als ungünstig betrachtet hätte, da Deutschland zur Zeit noch um Freundschaften wirbt und sich nicht ganz so rücksichtslos verhalten kann. In einem späteren Zeitpunkt wird dies vielleicht anders sein.

Ungeduldig verlangt Schulthess von Pilet «baldmöglichst» Auskunft darüber, was man General Bodenschatz, der schliesslich ja «nicht der erstbeste» sei, sondern «ein Mann von grossem Einfluss und hoher Stellung», antworten solle. Es sei dies eine «Höflichkeitspflicht». Pilet antwortet erst am 12. November, unmittelbar nach Ende der Bundesratssitzung. Der Bundesrat habe die Frage, «qui vous intéresse», eben diskutiert und sei zum Schluss gekommen, dass der Moment, in dem die Ersetzung zweier seiner Mitglieder offenstehe, für eine delikate Aktion im Ausland nicht günstig sei:

Damit die Wahl, die die Vereinigte Bundesversammlung im Dezember treffen muss, die bestmögliche sein wird, ist vor allem wichtig, dass alles, was – selbst indirekt – die Geister verwirren könnte, vermieden wird. Andererseits wäre es einem Bundesrat, von dem zwei Mitglieder Demissionäre sind, schwierig, Initiativen dieser Art zu unternehmen. Sobald sich die Situation aufgehellt haben wird, werden wir die Prüfung eines Projektes wieder aufnehmen, von dem ich mir, wie Sie wissen, viel versprochen habe.

Sind die Gründe, die Pilet für eine Verschiebung oder Annulierung angibt, die einzigen? Die schweizerischen Bevollmächtigten Hotz und Homberger, die für die Wirtschaftsverhandlungen mit Deutschland zuständig sind, leisten gute Arbeit. Pilet stellt selber eine Entspannung im deutsch-schweizerischen Verhältnis fest. Eine Reise von Schulthess ist überflüssig.


«Staatsmann im Sturm»

Cover: Staatsmann im Sturm

Hitlers Blitzsiege machten 1940 zum gefährlichsten Jahr in der jüngeren Geschichte der Schweiz. Das völlig eingeschlossene Land war auf Gedeih und Verderb Nazi-Deutschland ausgeliefert. Die Last seiner Aussenpolitik lag auf den Schultern von Bundespräsident Marcel Pilet-Golaz. Mit viel Geschick steuerte er die Schweiz unbeschadet durch stürmische Monate. In der Geschichtsschreibung gilt der Waadtländer als «Anpasser», der den Nazis zu Gefallen war. Hanspeter Born zeichnet ein anderes Bild des Juristen, Schöngeists und Landwirts aus der Romandie. Seine auf Primärquellen, teils unbekannte Dokumente aus dem Familienarchiv Pilet, beruhende Studie wertet den Umstrittenen als klugen und standfesten Staatsmann.«Die kapitale Mission des Bundesrates in den gegenwärtigen Zeitläufen besteht darin, das Land in der Unabhängigkeit und Freiheit zu erhalten. Sein Wille, hiefür seine ganze Energie und seine ganze Umsicht einzusetzen, braucht keinerlei besondere Erwähnung. Dinge, die sich aufdrängen und über jeder Diskussionstehen, verlieren, wenn man sie wiederholt.» Marcel Pilet-Golaz, Lausanne, 12. September 1940


Hanspeter Born, Staatsmann im Sturm. Pilet-Golaz und das Jahr 1940. Münster Verlag 2020, gebunden, mit Schutzumschlag, 540 Seiten, CHF 32.–. ISBN 978-3-907 146-72-, www.muensterverlag.ch

Alle Rechte vorbehalten.

Umschlagsgestaltung: Stephan Cuber, diaphan gestaltung, Liebefeld
Umschlagsbild: KEYSTONE-SDA / Photopress-Archiv 

Beitrag vom 30.06.2024

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Das könnte sie auch interessieren

Fortsetzungsroman

12. «Ich will keine Politik machen»

«Politiker wider Willen» ist der erste Teil einer auf drei Bände geplanten Biographie. Hanspeter Born zeichnet darin ein anderes Bild des umstrittenen Bundesrat Marcel Pilet-Golaz, der 1940 als Bundespräsident die Geschicke des Landes in die Hand nimmt. Kapitel 12: «Ich will keine Politik machen.

Fortsetzungsroman

11. Leipziger Lerchen

«Politiker wider Willen» ist der erste Teil einer auf drei Bände geplanten Biographie. Hanspeter Born zeichnet darin ein anderes Bild des umstrittenen Bundesrat Marcel Pilet-Golaz, der 1940 als Bundespräsident die Geschicke des Landes in die Hand nimmt. Kapitel 11: Leipziger Lerchen.

Fortsetzungsroman

10. Romanze

«Politiker wider Willen» ist der erste Teil einer auf drei Bände geplanten Biographie. Hanspeter Born zeichnet darin ein anderes Bild des umstrittenen Bundesrat Marcel Pilet-Golaz, der 1940 als Bundespräsident die Geschicke des Landes in die Hand nimmt. Kapitel 10: Romanze.

Fortsetzungsroman

9. Eine Demoiselle aus Orbe

«Politiker wider Willen» ist der erste Teil einer auf drei Bände geplanten Biographie. Hanspeter Born zeichnet darin ein anderes Bild des umstrittenen Bundesrat Marcel Pilet-Golaz, der 1940 als Bundespräsident die Geschicke des Landes in die Hand nimmt. Kapitel 9: Eine Demoiselle aus Orbe.