Nümmä ärnscht gno wärdä Von Ursula Meier-Nobs
Wo d Hanna d Tür vo der Praxis hinger sech het zueta, het si nid gwüsst, söu si gränne oder lache. Was isch itz ömu o gsy, mit däm Dokter? Si het dä vorhär nid gkennt, ihre Husarzt het se derthäre gschickt wäge däm Usschlag, wo so schampar bysst. Scho bir Begrüessig isch es komisch gsy. Si het ihm d Hang entgägegstreckt, wi me das öppe tuet, und er het se vo Chopf bis Fuess gmuschteret u gseit. «Mir gäbe enang nid d Hang.» Tätsch!
Das isch ja villicht no z verstah, bimne Hutarzt, aber e chly nätter hätt er’s glych dörfe säge – u wi·n·er de drygluegt het, eso vo obeabe.
Er het chuum Notiz gno, wo si·n·ihm ihre Arm und d Schinbei het zeigt und verzeut het, dass si fasch nümm chönn schlafe wäge däm Bysse. Er het tta, wi wenn er weis wie pressiert wär, het ere es Rezäpt für ne Saubi ggä und gmeint:
«I weis nid, was der heit! Probierets mit dere Saubi, u we’s nüüt nützt, mues eue Husarzt wyterluege.»
Dermit isch er ufgstange u het se useglah. Tätsch!
Zum Glück het si ihm nid no einisch us luter Gwohnheit d Hang häregstreckt, das wär de der Gipfu gsy, zimlech piinlech sogar.
Itz isch si ir Apiteegg ir Schlange gstande mit ihrem Rezäpt und het gwartet. Es het es Zytli duuret, und churz bevor si wär dracho, het sech e eutere Maa a’re verby gschobe und se eifach so uf d Syte gmüpft, wi wenn er se gar nid gsuch. Auso nei! Möge het es se o, dass nachhär die jungi Apiteeggere zum hundertschte Mau het gfragt:
«Wi isch itz scho wider öie Name?»
Derbi geit si ja sit über zwänzg Jahr derthäre, aber das Tüpfi weiss ne nie.
He ja, si isch haut nümm di Jüngschti, brucht e chly meh Zyt zum Louffe, zum Luege, zum Lose; ds Hirni isch o nümm, was es emau isch gsy, aber demänt isch si no lang nid, ne, nei, si weis no geng, was Sach isch, und uslache brucht se wäg dessi niemmer, wenn si die fautschi Sammucharte ir Migros git. Der Pin zum Zale het si ömu no immer gwüsst, und ypacke het si bis hüt o no geng elei chönne.
Aber chürzlech isch si mit der Frou Kübli im Husygang gstange u het e chly bbrichtet. Da isch doch bi Gott der Pöschteler cho, si hei ne beidi grüesst und är het gseit:
«Grüessech Frou Kübli», grad so, wi wenn si nid wär da gsy. Das het se möge, aber dä söu nume warte, däm git si de a der nächschte Wiehnacht ke Füfliber meh.
Ja, u we si itz grad eso am Studiere isch, wi isch das gsy mit der Ufnahm bim Autersnamittag? Da sy aui Nöie begrüesst worde mit Name und Chlatsche. Nume si isch nid gnennt worde, u si het sech doch richtig aagmäudet aha. Si isch die Einzigi gsy vo de Nöie, wo nid isch vorgsteut worde, das het weh tta.
Eismau het si bimne Familieträff verzeut, während em Chrieg heig me aube d Bomber vo Ängland ghöre über ihres Huus flüge uf em Wäg nach Mailand. U de heig me ghört, wi die Bombe abegheit syge. Es dumpfs Bole syg das gsy u sehr unheimlich. Da hei aui komisch drygluegt und glächlet u hei’s nid gloubt. Derby cha si sech no ganz genau dra erinnere, wi si aube Znacht, wenn d Sirene het ghornet, ufgstande sy, sech richtig agleit hei und sech zäme i der Chuchi hei versammlet. Der Papa het immer ds Tournée gmacht und gluegt, dass niene Liecht dür die dicke schwarze Vorhäng isch z gseh gsy. U de sy si cho, die Bomber. Gfährlech hei si tönt, und nachdäm me se es Zytli nümm het ghört, isch de aube das dumpfe Bole cho und d Mama het gseit: «Die arme Lüt» und het e chly briegget. U de sy si wider zrügg cho z flüge und hei ganz angersch tönt – läär äbe – u we me se de nümm het ghört und d Ändsirene het ghüület, sy si wider is Bett ga wyterschlafe.
Serigi Sache chönnt si no vo da oder dert verzeue, aber es nimmt se ja niemer meh ärnscht, me lächlet höchschtens im Versteckte. Me laht se nidemau me la usrede, irgendöpper faut ere immer i ds Wort und änderet ds Thema. Es intressiert niemer, was si redt – äbe, grad so, wi we si unsichtbar wär!
Früecher, wo ihre Maa no gläbt het, isch ihre so öppis nid passiert. Denn isch si die gsy, wo d Fäde meh oder weniger het i de Händ gha und über d Familie het Bscheid gwüsst. Aber eigentlech – bereits nach ihrem länge Spitalufenthalt het das aagfange: Immer hüüfiger hei d Ching em Maa aglütet und ne um Rat gfragt. Grad wi we si dä nid o hätt chönne gäh. U nachhär hei si nid emau meh wöue mit ihre rede. Wenn si aber ds Telefon het abgnoh, hets de immer gheisse: Chan i no schnäu der Papi ha?
Werum isch si überhoupt no da? Mängisch verleidet ihre aus. De nimmt si de öppe es Tablettli oder so öppis. Eigentlich fasch jede Tag – und de geits de wider. Si het ja gnue vo däm Züüg, sogar verschideni Sorte. Si luegt scho, dass ihre der Vorrat nid usgeit, wiu ohni cha si fasch nümme exischtiere. Aber mängisch het si ds Gfüeu, die Piueli machi se nume no truuriger. De het si de e chly Angscht, si wärdi süchtig, das wett si ja nid.
Aber äbe! Chürzlech het si öpper müesse la cho, wäge der Wöschmaschine. Zwe Manne sy bi’re gsy, auwäg der Chef u der Lehrbueb. U der Chef het würklech so tta, wi we si Luft wär:
«Hesch gseh», het er zum Junge gseit, «si het nid gwüsst, wi das geit, de het si dänk gmurgset u itz isch es verchrümmt».
Si isch dernäbe gstande wi·n·e Löu, u dä Giu het grinset. Es Wunder, dass si no hei Adiö gseit – drufabe het si wider müesse es Tablettli näh, so isch si kaputt gsy.
Es macht eim haut scho truurig, we me merkt, dass me langsam überflüssig wird, dass eim niemer meh öppis dernah fragt u aui ersch no meine, me chömm nümm nache.
Das isch de bi de Manne angersch. Die chöi no lang komischs Züüg zum Muul us la. Dene gloubt me aues u vergötteret se no. Das gseht me ja au Tag im Fernseh. Viu vo däm, was die Manne ploudere, het weder Hang no Fuess. Mängisch widerspräche si sech no und derzue hets settig, wo me chuum cha aluege, wiu si so unpflegt sy. Das dörft sech e Frou nie erloube, die wär scho lang wäg vom Fänschter. Nei, aut wärde isch nid schön!
U itz geit no ds Telefon. Wär wott ächt öppis vo’re? Si het ab u seit hallo, und es Stimmli us em Hörer fragt:
«Grosmueti, darf i ächt über ds Wuchenänd zue der cho?
I ha drum so fescht längi Zyti nach dir.»
Da het d Hanna fasch chly müesse briegge. Aber a däm Abe het si kes Tablettli bruucht!
Ursula Meier-Nobs, geboren 1939 in Bern, ist verheiratet und hat zwei erwachsene Kinder und einen Enkel. Sie hat Kurzgeschichten, Kinderbücher in berndeutschem Dialekt und Historienromane geschrieben. Das Kindertheater «Wunderfitzes Aabetüür» erschien 2009 im teaterverlag elgg.
- Hier gehts zum Vorwort des Buches «Voll im Wind».
- Im Informationsteil werden Themen aus den Buchgeschichten aufgegriffen. Er enthält Tipps und viel Wissenswertes.
- Weitere Geschichten aus dem Buch «Voll im Wind» finden Sie hier.
«Voll im Wind»
Geschichten von A wie Altersheim bis Z wie Zwetschgenschnaps
Grossvater riecht nach Schnaps und Grossmutter lacht nicht mehr. Was ist passiert? «Älterwerden ist kein Spaziergang», erzählen Betroffene – und die Jüngeren nehmen es irritiert zur Kenntnis. Ruth und Fritz haben es doch schön in der Alterswohnung, und Trudi wird im Pflegeheim rund um die Uhr verwöhnt. Was ist daran so schlimm?
Es sind dies die Übergänge und Brüche; vermehrt gilt es, Abschied zu nehmen: vom Haus, vom Partner, vom Velofahren. Das Gehen verändert sich weg von der Selbstverständlichkeit hin zur Übung und Pflicht; das Autofahren ist ohnehin ein Tabu, so will‘s die Tochter. Ist es da so abwegig, den Kopf hängen zu lassen? Sich Pillen verschreiben zu lassen oder ein Glas über den Genuss hinaus zu trinken? Ja, es ist abwegig, weil es auf Abwege führt und nicht auf einen grünen Zweig.
22 Schweizer Autorinnen und Autoren erzählen Geschichten über ältere Menschen, denen der Wind derzeit mit voller Wucht entgegenbläst. Ein Anhang mit einfachen Infos und Tipps sowie weiterführenden Adressen bietet den nötigen Windschutz.
- «Voll im Wind – Geschichten von A wie Altersheim bis Z wie Zwetschgenschnaps», Hrsg. Blaues Kreuz Schweiz, © 2020 by Blaukreuz-Verlag Bern, ISDN 978-3-85580-549-5
- Cover-Illustration: Tom Künzli, TOMZ Cartoon & Illustration, Bern. Lektorat: Cristina Jensen, Blaukreuz-Verlag. Satz und Gestaltung: Stephan Cuber, diaphan gestaltung, Liebefeld. Druck: Friedrich Pustet GmbH & Co. KG, Regensburg
- Das Projekt wird vom Nationalen Alkoholpräventionsfonds finanziell unterstützt. Für Begleitpersonen stehen unter www.blaueskreuz.info/gesundheit-im-alter weitere Fachinformationen zu den Themen des Buches bereit.