Die verkannte Kunstform
Brigitte Lüscher ist Kalligrafin aus Leidenschaft. Seit über 20 Jahren widmet sie sich der Kunstform, die etwa 7500 Jahre alt ist.
Text und Video: Jessica Prinz
Ist sie unterwegs, sammelt sie ständig Ideen und Inspirationen, manchmal in Form von Fotos, manchmal in Form von Notizen. Diese Gedanken und Eindrücke verwandelt Brigitte Lüscher später in kleine Kunstwerke, in denen die Worte sozusagen lebendig werden. Für die 64-Jährige ist Kalligrafie jedoch mehr als nur das Schreiben von Buchstaben: Es ist eine Möglichkeit, Emotionen und Gedanken in einer visuellen Sprache auszudrücken.
Besonders gefragt sind Lüschers Werke in Form von Zertifikaten, Glückwunschkarten und – nach wie vor – Trauerkarten. Denn in den Momenten des Abschiednehmens sehnt man sich nach etwas Besonderem, nach individuellen Botschaften, die über die Massenware hinausgehen. Dennoch ist die Kalligrafie bis heute nicht wirklich als Kunstform anerkannt. «Man wird in einem Museum leider nur selten auf kalligrafische Werke stossen.»
In der Schweiz gibt es denn auch nur ein paar wenige Kalligraf:innen, die auch als Dozent:innen tätig sind. Die Schweizerische Kalligrafengesellschaft, in deren Vorstand sich Brigitte Lüscher engagiert, vereint rund 260 bis 270 Mitglieder. Viele von ihnen teilen ihre Leidenschaft in regelmässigen Treffen und bei gemeinsamen Aktivitäten. Die in Nidauer (BE) tätige Schönschreiberin freut sich, dass neuerdings vermehrt junge Menschen Interesse an der Kunst des schönen Schreibens zeigen. Sie ist begeistert vom frischen Wind und den neuen Ideen, welche die jungen Talente mitbringen.
Brigitte Lüscher empfiehlt Interessierten, es einfach einmal mit Kalligrafie zu versuchen. Indem man zum Beispiel ein Wort in der eigenen Handschrift schreibt – und dann das gleiche Wort, die gleichen Buchstaben «auseinanderzieht». Wer an der Kalligrafie Gefallen findet, dem reiche dies aber irgendwann nicht mehr, weiss die 64-Jährige. Dann müsse man die Buchstaben und deren Gesetzmässigkeiten genauer kennenlernen. «Ein o und ein e haben die gleiche Ausgangslage, genauso wie ein p und ein d», sagt Brigitte Lüscher. «Aber man sollte sich dennoch nicht zu sehr auf einzelne Buchstaben versteifen, sondern Texte schreiben und sich austoben. Das macht viel mehr Spass!»
Die Kalligrafie hat die 64-Jährige weit mehr gelehrt, als nur das Schreiben von Texten. Sie zieht daraus auch Schlüsse, die wichtig für den Alltag sind.