Er bringt Holz zum Klingen
Der 84-Jährige ist seit 62 Jahren Geigenbauer. Sein Kunsthandwerk hat sich mit der Erfahrung der Arbeitsjahre stetig verfeinert – und noch immer hängt der Himmel von Hans Peter Rast voller Geigen.
Text und Bilder: Claudia Herzog
Eine denkmalgeschützte Mühle mit Wasserrad. Im weiten, verwunschenen Garten weiden Schafe. Ein Ort, wie aus der Zeit gefallen, – und doch mitten in der nicht selten hektischen Stadt Zürich. Hier lebt und arbeitet Hans Peter Rast mit seiner Familie. In seinem Atelier fertigt der Geigenbauer seit 50 Jahren kostbare Streichinstrumente an.
An der Forchstrasse 244 wird gehobelt, geleimt und geölt. Es riecht nach Harz und Sägespänen. Geigen, Cellos oder Kontrabässe füllen die engen, aber schmucken Räume. Auf dem Werkplatz, zwischen Schleifpapier, Rosshaar, Holzfeilen und kleinen Fläschchen mit handgeschriebenen Etiketten steht das gerahmte Bild von Hans Peter Rasts verstorbener Frau. Der Geigenbauer betont: «Elisabeth ist mein Erfolgsgeheimnis. Ohne meine Frau hätte ich es bestimmt nicht geschafft, mein Geschäft aufzubauen.»
Zusammenspiel der Materialien
Kennen und lieben gelernt haben sich Hans Peter Rast und Elisabeth anno dazumal im Lehrerseminar in Küsnacht. Auf Wunsch seines Vaters absolvierte Hans Peter Rast zwar die Ausbildung zum Lehrer, verfolgte aber nach dem Abschluss mit grosser Entschlossenheit die eigenen Pläne. Bei seinem Onkel, in der Schweizer Geigenbauerschule in Brienz, lernte Hans Peter Rast das Rüstzeug, um Streichinstrumente herzustellen. Danach folgten Gesellenjahre in Bern und in Schweden.
Seit 62 Jahren arbeitet Hans Peter Rast nun als Geigenbauer. «Erfahrung ist in diesem Beruf das Wichtigste überhaupt. Ein Geigenbauer muss auf das Holz eingehen gehen. Denn jedes Holz ist in der Verarbeitung wieder etwas anders. Mit der Zeit wird das Zusammenspiel der Materialen immer feiner. Man lernt, möglichst viel aus dem Instrument herauszuholen.»
Mit der Liebe zum Detail und zur Musik
«Ein Geigenbauer darf nicht farbenblind sein, muss gute Ohren, scharfe Augen und Sitzleder haben», sagt Hans Peter Rast. «Und unser Beruf braucht viel Geduld. Wenn jemand keine Geduld hat, ist er kein guter Geigenbauer.»
Für den Bau einer Meistergeige braucht der Kunsthandwerker rund 200 Arbeitsstunden. Am liebsten schnitze er die Schnecke – natürlich von Hand – obwohl diese nur der Schönheit diene und keinen Einfluss auf den Klang des Instruments habe. «Ich bin halt ein Ästhet, ich habe gerne schöne Sachen – und Geigen und Cellos sind meistens schön», fügt Hans Peter Rast an und lacht.
Es brauche für den Bau eines Streichinstrumentes neben der Feinarbeit auch die Liebe zur Musik. «Ein Geigenbauer, der Musik nicht liebt, kann keine guten Instrumente bauen», meint Hans Peter Rast. Er selbst spielt Cello und Kontrabass im Symphonie Orchester Neumünster. Dort sei er sozusagen der Grossvater, das älteste Mitglied, sagt der 84-Jährige. Nein, er übe aber nicht mehr jeden Tag, verrät er, da sei er ehrlich.
Ein altes Familienunternehmen mit Zukunft
«Ich habe mir nicht besonders Mühe gegeben, meine Söhne zu überzeugen, in meine Fussstapfen zu treten. Sie mussten nicht Geigenbauer lernen, sie wollten Geigenbauer lernen», erzählt Hans Peter Rast. In dieser Familie wird die Geigenbaukunst von Generation zu Generation «weitervererbt». Zwei von Hans Peter Rasts Söhnen arbeiten im Atelier mit. Offiziell gehört der Betrieb seit 2015 Sohn Felix, er ist das zweitälteste von Hans Peter Rasts vier Kinder.
Das reiche Wissen des Vaters bleibt aber auch weiterhin nicht ungenutzt. Hans Peter Rast unterstützt seine Söhne täglich in der Werkstatt. Sich zur wohlverdienten Ruhe zu setzen oder die freie Zeit zu nutzen, um zu reisen; damit kann man Hans Peter Rast gar nicht locken. «Warum sollte ich reisen?» fragt er, um dann mit Bestimmtheit zu sagen: «Es ist doch so schön hier!»
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