© Universal Music

«Theme from New York, New York» von Frank Sinatra Songs und ihre Geschichten

Frank Sinatra löste in den USA Massen-Hysterien aus, lange bevor Elvis Presley oder Michael Jackson auftauchten. Er war das erste Pop-Idol der Geschichte. Seine unverwechselbare Stimme, der er den Beinamen «The Voice» verdankt, prägte das amerikanische Unterhaltungsgeschäft für ein halbes Jahrhundert.

Text: Urs Musfeld

Egal, ob als Entertainer, Schauspieler, Geschäftsmann oder Freund von Präsidenten und Mafia-Bossen – «Frankieboy» geht immer seinen eigenen Weg. Seine Songs werden zu Welterfolgen und bleiben ungeachtet der vielen Skandale bis heute Dauerbrenner.

Unmöglich, alles zu kennen, was Sinatra je gesungen hat: Um die 1300 Lieder, die er auf Platten aufgenommen hat, viele davon in unterschiedlichen Versionen.

Geboren 1915 als Kind italienischer Einwanderer in Hoboken, New Jersey, direkt gegenüber Manhattan, startet er 1939 in New York seine musikalische Laufbahn zunächst als Leadsänger in den Bigbands von Harry James und Tommy Dorsey.

Doch schon rasch begründet Sinatra seine Solokarriere. Begleitet von Benny Goodman singt er am Silvesterabend 1942 im Paramount Theatre auf dem Time Square vor kreischenden Fans. Wegen der grossen Nachfrage wird die Show verlängert, zuerst um einen, dann um zwei Monate – mit bis zu sechs und sieben Auftritten an einem Tag. Er wird zum Idol der amerikanischen Kriegs- und Nachkriegsgeneration. Ob Swing oder amerikanische Unterhaltungsmusik, für Sinatra macht es keinen Unterschied. 1943 erhält er seinen ersten Plattenvertrag bei Columbia Records, der 1952 aufgelöst wird.

Die Jahre beim Label Capitol (1953–1960) bilden das feste Fundament seines weltweiten Siegeszuges – mit Evergreens wie «Love and marriage», «The lady is a tramp», «I’ve got you under my skin» oder «Chicago». Es folgen eigene Fernseh- und Radiosendungen.

Die Stimme als Instrument

Sinatra steht für Coolness, für das richtige Timing, den Rhythmus, für seine Stilsicherheit im Jazz und seine Perfektion bei der Arbeit.

Seine Stimme ist sein grösstes Kapital. Mal sanft, mal kräftig aber immer romantisch setzt er sie als Instrument ein. Er ist ein Meister der Nuancen – souverän, charismatisch, elegant. Sinatra perfektioniert den murmelnden, umschmeichelnden Crooner-Stil, den er vor allem von seinem Vorbild Bing Crosby abgeschaut hat. Die hohe Gesangskultur hat er sich schon in jungen Jahren antrainiert, beim Studium von Billie Holidays zurückgelehntem, swingendem Gesang. Die Technik des langen Atems (die Töne in die Länge ziehen, ohne Luft zu holen) hat er vom Posaunisten Tommy Dorsey und die Stimmführung vom australischen Opernsänger John Quinlan erlernt.

Schwarzweissbild des singenden Frank Sinatra
© Frank Sinatra Enterprises

Sinatra hat immer gewusst, was die Leute anrührt. Er intoniert nicht nur, sondern er reisst die Kompositionen und Texte an sich. Er gibt nicht vor, alle Geschichten, von denen er singt, selbst erlebt zu haben. Aber in den Minuten seines Vortrags lässt er nie einen Zweifel daran, dass es sich so zugetragen haben könnte.

«Er gab dem Pop etwas Neues – nämlich Stil», erklärte der Songschreiber Jule Styne, der für einige Klassiker von Sinatra mitverantwortlich war, in einem Interview.

Mit Reprise gründet er 1960 seine eigene Plattenfirma, nachdem sich die Wege mit Capitol Records getrennt haben. Fortan diktiert Sinatra für alle Produktionen die Bedingungen und zementiert seinen Status als Superstar. In diese Zeit fallen seine grössten Hits «Something stupid» (mit seiner Tochter Nancy), «Strangers in the night» und «My way».

Zu Beginn der 1970er-Jahre verliert er im Umfeld der angesagten Rockmusik kurz den Anschluss, kehrt aber mit neuem Elan zurück auf die Bühne. 1973 erscheint das Album «Ol’ Blue Eyes Back». Eine Anspielung auf Frank Sinatras blaue Augen.

Mit dem Big Apple verbunden

Seinen letzten grossen Hit landet er 1980 mit «Theme from New York New York», dem Titelsong aus dem Film «New York New York» von Martin Scorsese aus dem Jahr 1977, mit Liza Minelli und Robert de Niro in den Hauptrollen. Eine Hommage auf das Leben und die Musik von New York der Nachkriegszeit. Eine Liebeserklärung an Swing und Bebop, eine Referenz an die Musicals der 1940er- und 1950er-Jahre. Die Musik zu dieser Mischung aus Musical, Liebesgeschichte und Drama stammt aus der Feder von Fred Ebb und John Kander. Gegen Schluss des Films interpretiert Liza Minelli das Titelstück, das als Single ausgekoppelt wird. Internationale Bekanntheit erlangt es aber erst in der Version von Frank Sinatra.

Nach Minellis Einverständnis singt er «Theme from New York, New York» das erste Mal 1978 bei einem Konzert in der Radio City Music Hall. 1979 spielt er das Lied in einem Studio in Hollywood ein. Diese Aufnahme gilt seither als inoffizielle Hymne der Stadt New York.

Auch wenn eher Las Vegas zum Mittelpunkt seiner Showkarriere wird, fühlt sich Sinatra stets mit dem Big Apple verbunden.

Start spreading the news
I’m leaving today
I want to be a part of it
New York, New York

Verbreite die Neuigkeit 
Dass ich heute fortgehe 
Ich möchte ein Teil davon sein
New York, New York

Die Geschichte eines jungen Mannes aus der Provinz, der davon träumt, ein Teil dieser Stadt zu werden. 

These vagabond shoes
They are longing to stray
Right through the very heart of it
New York, New York

Diese Vagabundenschuhe 
Sehnen sich danach zu schweifen
Direkt durch das Herz dieser Stadt
New York, New York

I want to wake up in a city
That never sleeps
And find I’m king of the hill
Top of the heap

Ich möchte aufwachen in einer Stadt
Die niemals schläft
Ich entdecke, ich bin der König 
An der Spitze der Menge

Der Song macht New York populär als «die Stadt, die niemals schläft» – im wörtlichen Sinn: Viele Geschäfte sind 24 Stunden offen – als auch im übertragenen Sinn: Es wird von dir erwartet, immer in Bestform zu sein.

These small town blues
They are melting away
I’ll make a brand new start of it
In old New York

Diese Kleinstadt-Schwermut
Schmilzt dahin 
Ich fange ganz neu an 
Im alten New York,

Statt sich mit den Problemen, denen er begegnet, herumzuquälen, nimmt er die Herausforderungen an. In Erwartung eines neuen Lebens in einer vibrierenden Metropole.

Geschrieben aus der Perspektive eines jungen Entertainers, könnte der Song auch auf den Werdegang von Sinatra zutreffen. Von der Kleinstadt Hoboken in die Millionenstadt New York. Und von dort in die ganze Welt. Oder auf einen Nenner gebracht: Vom Vorstadt-Kid zum Millionär. Der Inbegriff des amerikanischen Traums:

If I can make it there
I’ll make it anywhere
It’s up to you


Wenn ich es hier schaffen kann, 
Kann ich es überall schaffen
Es liegt an dir

Auch wenn «New York, New York» auf den ersten Blick kein Song für den Start ins neue Jahr ist, gehört der Hit von Frank Sinatra traditionell zur Silvesterzeremonie am Times Square in New York. Beim Jahreswechsel stimmen die Feiernden die Lieder «Auld lang syne» und «New York, New York» an.

Und auch beim Baseball hat der Song seine Bedeutung. Nach jedem Spiel der New York Yankees, ob Sieg oder Niederlage, ertönt er im Stadion.

Frank Sinatras Karriere dauert bis in die 1990er-Jahre. Sein letztes öffentliches Konzert findet 1994 in Japan statt. 1998 stirbt er nach langer Krankheit.


Urs Musfeld alias Musi

Portrait von Urs Musfeld

© Claudia Herzog

Urs Musfeld alias MUSI, Jahrgang 1952, war während 39 Jahren Musikredaktor bei Schweizer Radio SRF (DRS 2, DRS 3, DRS Virus und SRF 3) und dabei hauptsächlich für die Sendung «Sounds!» verantwortlich. Seine Neugier für Musik ausserhalb des Mainstreams ist auch nach Beendigung der Radio-Laufbahn nicht nur Beruf, sondern Berufung.

Auf seiner Website «MUSI-C» gibt’s wöchentlich Musik entdecken ohne Scheuklappen zu entdecken: https://www.musi-c.ch/

Beitrag vom 28.12.2022

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