Suche Steine, biete Sex
Travestie, Prostitution oder Transsexualität sind nicht allein dem Menschen vorbehalten. Für jede noch so exotische sexuelle Spielart gibt es auch Entsprechungen im Tierreich.
Text: Claudia Senn
Orgien: Breitfussbeutelmaus
Die wohl ausschweifendste Spezies der Welt ist die australische Breitfussbeutelmaus. In der Paarungszeit verabreden sich die Nager für eine bis zu drei Wochen lang dauernde Sexorgie in ihren Baumnestern. Danach sind die Männchen so fix und fertig, dass sie innerhalb von wenigen Wochen zugrunde gehen. Sie verenden an Magengeschwüren, Nierenversagen und inneren Blutungen oder werden von Parasiten dahingerafft, weil ihr Immunsystem aus Überanstrengung zusammenbricht.
Prostitution: Pinguine
Ross Island in der Antarktis ist ein garstiger Ort, selbst für Adéliepinguine. Nur wenn Eier und Nachwuchs in einer Nistburg aus kleinen Steinchen geschützt sind, können sie den eisigen Schneestürmen trotzen. Allerdings sind die Steinchen so rar, dass die Pinguine sich einiges einfallen lassen müssen, um an die begehrte Bausubstanz zu kommen. Die britische Zoologin Fiona Hunter hat beobachtet, dass findige Pinguindamen einen Deal mit den Männchen aushandeln: Sex gegen Steine.
Gezielt pirscht sich das Weibchen an ein gelangweiltes Männchen heran, dessen eigene Partnerin gerade auf Krilljagd ist, streicht mit angelegtem Federkleid um ihn herum und balzt nach allen Regeln der Pinguinkunst, bis es zur Kopulation kommt. Sofort danach empfängt sie ihren Liebeslohn, einen Kieselstein. Schlummert der befriedigte Freier ermattet in seiner Nistburg und passt nicht auf, schnappt sie sich gleich mehrere Steinchen. Manchmal reicht es auch, das Männchen bloss etwas zu beschmusen. «Bei einem Weibchen beobachtete ich», sagte Fiona Hunter der Zeitschrift «Mare», «dass es 62 Kiesel ergatterte, ohne dass es zur Sache gekommen wäre.»
Travestie: Riesensepien
Jedes Jahr treffen sich die Riesensepien in einer ganz bestimmten Bucht des südaustralischen Spencer Golfs zur Paarung. Allerdings ist die Frauenquote dort so tief, dass auf ein Weibchen mindestens vier Männchen kommen. Natürlich werden die wenigen Weibchen sofort von grossen Alpha-Männchen belagert, die ihre Partnerinnen eifersüchtig bewachen. Damit die kleineren Männchen nicht leer ausgehen, haben sie sich deshalb einen raffinierten Trick ausgedacht: Sie «verkleiden» sich als Weibchen, indem sie die Farbe und Musterung ihrer Haut verändern und machen sich an eines der bereits besetzten Weibchen heran. Das gehörnte Tintenfisch-Alpha-Männchen begreift meist gar nichts – oder schaut sogar interessiert zu, wie sich der kleinere Rivale mit seinem Weibchen paart. Kompliziert wird es, wenn sich zwei Transvestiten-Männchen gegenseitig für Weibchen halten, oder wenn ein Alpha-Männchen versucht, ein vermeintliches Weibchen zu begatten.
Fetisch: Australischer Seidenlaubenvogel
Der Australische Seidenlaubenvogel steht auf alles, was blau ist. Das Männchen zermatscht Beeren und malt damit sein Nest blau an, sammelt blaue PET-Flaschen-Verschlüsse oder andere Plastikabfälle. Fliegt zufällig ein kleiner, blauer Vogel vorbei, so kann es passieren, dass der Australische Seidenlaubenvogel ihn für seine Wohnungsdekoration tötet und rupft. Es geht schliesslich darum, ein Weibchen anzulocken. Und das steht nun mal auf Blau, niemals auf Grün, Gelb, Rot, Orange oder andere völlig uninteressante Farben.
Geschlechtsumwandlung: Clownfisch
Transsexualität ist im Tierreich weit verbreitet. Bei Clownfischen gehört eine Geschlechtsumwandlung sogar fest mit zum Lebenskonzept. Geboren werden alle Clownfische als Männchen. Im höheren Alter können sie jedoch zum Weibchen mutieren – sofern die Rangfolge das zulässt. Der älteste Fisch einer Schar ist stets ein Weibchen, der zweitälteste das begattende Männchen. Stirbt das Weibchen, verwandelt sich das älteste Männchen in ein Weibchen, und der nächstälteste Junggeselle rückt zum geschlechtsreifen Männchen auf.
Kannibalismus: Spinnen
Männliche Spinnen erleiden meist ein grausames Schicksal: Nach der Begattung werden sie von ihrem Weibchen postwendend verspeist. Manche Arten haben jedoch raffinierte Gegenstrategien entwickelt. Das Männchen der Diebspinne etwa trägt auf seiner Stirn einen hornartigen Fortsatz, der über feine Kanäle mit einer unter seinem Kopfpanzer liegenden Drüse verbunden ist. Aus diesem «Strohhalm» saugt das Weibchen während der Paarung eine Art Beruhigungsdrink, der sie davon abhalten soll, ihren Partner gleich ganz aufzufressen. Ob das klappt, ist allerdings pure Glückssache.
Quellen: Markus Bennemann: «Die Evolution im Liebesrausch», Eichborn-Verlag 2010 (nur noch antiquarisch erhältlich); mare.de
Schwerpunkt «Liebe ist…»
Diesen Sommer steht in der Zeitlupe die Liebe im Zentrum: Welches sind die Traumpaare im Garten, wie diskutieren Jung und Alt über die Liebe, wohin führt der Liebesweg und was genau ist eine Surrogatpartnerschaft…? Das und vieles mehr finden Sie auf zeitlupe.ch/liebe-ist
Lebensgeschichten in Kurzform:
Als regelmässige und begeisterte Leserin würde ich mich freuen, ab und zu Lebensgeschichten in Kurzform lesen zu dürfen. Wäre dies ein Thema? Das Interesse ist sicher gross, da Senioren gerne aus ihrem Leben erzählen und lesen.
Sehr geehrte Frau Früh. Viele Dank für Ihre Zuschrift. Lebensgeschichten in Kurzform finden Sie auf zeitlupe.ch unter den Stichworten «Das waren noch Zeiten» oder «anno dazumal». Freundliche Grüsse, Redaktion Zeitlupe